Proto-Iraner, Iraner, Meder, Perser: Alte und junge Völker Irans

Proto-Iraner, Iraner, Meder, Perser: Alte und junge Völker Irans
Proto-Iraner, Iraner, Meder, Perser: Alte und junge Völker Irans
 
Iran, dessen Name von den Iranern, den »Ariern« hergeleitet ist, war bis in das 2. Jahrtausend v. Chr. von Völkern und Stämmen bewohnt, deren Namen wir teilweise aus mesopotamischen, vorwiegend assyrischen Quellen kennen. Sehen wir von den Elamern ab, denen es im 3. Jahrtausend v. Chr. gelungen war, im Südwesten des Landes, im heutigen Khusistan, einen Staat zu gründen, wissen wir außer Namen wie Lulubäer, Gutäer, Manäer usw. wenig über sie. Archäologische Funde, wie weibliche Figurine, charakteristische Schnabelgefäße oder goldene Gefäße mit ihren Namen zu verbinden, ist fragwürdig. Sie lebten in den vom Niederschlag begünstigten Gebirgsregionen und am Fuß der Gebirge im Westen (Zagros), Norden (Elbrus), Osten (Kuhistan), in den Flussendoasen des Helmand und Farah im heutigen südöstlichen Iran (Sistan) und südwestlichen Afghanistan sowie in Makran, heute Südiran und Südwestpakistan.
 
Ausgrabungen haben uns Kenntnis über die materielle Kultur dieser »Proto«-Iraner - der Urbevölkerung des Irans -, über ihre Kontakte mit der damaligen Welt seit den 3. Jahrtausend v. Chr. und bis zu einem gewissen Grad auch über ihre religiösen Ideen vermittelt. So wurde z. B. in Nordwestiran ein Wasserheiligtum aus dem 8. Jahrhundert v. Chr. ausgegraben. Nachgewiesen ist auch, dass Handelsbeziehungen, wie immer sie gestaltet und organisiert waren, zwischen Iran und Mesopotamien und den Ländern östlich Irans - und damit letztlich auch der Mittelmeerwelt - bestanden haben. Vermischt und zeitweise überlagert waren diese »Proto«-Iraner von Stämmen indoeuropäischer Sprachen, die bereits vor den Iranern in das Land eingewandert oder eingefallen waren. Namen von ihnen sind ebenfalls überliefert, und Zeugnisse einer frühen Kunst der Steppenvölker, nämlich der der Skythen, wurden in Nordwestiran ausgegraben ; in ihr sind spätere achaimenidische Motive vorgezeichnet. Hier sei auch an die Luristanbronzen gedacht, an mitannische Texte, in denen sich Namen indoeuropäischer Gottheiten schon im 2. Jahrtausend v. Chr. finden, und an das rätselhafte Volk der Hurriter, das zeitweilig eine Großmacht in Vorderasien aufbaute.
 
Der uns historisch fassbare Iran beginnt mit der Einwanderung der Iraner. »Iraner« wird hier als Bezeichnung für eine größere Gruppe von Stämmen verstanden, unter denen die Meder und die Perser historisch Bedeutung gewannen. Geht es um letztere, werden die Stammesnamen verwendet, geht es um allgemein Iranisches, wie z. B. in der Religion, wird dieser Begriff gewählt. Vieles spricht dafür, dass die Iraner aus den Steppen Zentralasiens östlich des Kaspischen Meeres kamen. Es wäre falsch, von einer iranischen Eroberung des Landes zu sprechen. Sie waren Nichtsesshafte, sie sickerten nach und nach ein; und sie hatten sich den sesshaften Kulturen der »Proto«-Iraner und bald jenen der altmesopotamischen Reiche (Elam im Südwesten, Babylonien und Assyrien im Westen sowie Urartu im Nordwesten) zu stellen. Sie sind in der Peripherie der damaligen Welt um das Jahr 1000 v. Chr. im heutigen Nordwesten Irans, in Aserbaidschan, bezeugt, bald auch in südlich davon gelegenen Gebieten, in Medien (dem Gebiet um die heutige Stadt Hamadan) und Fars (dem Gebiet um die heutige Stadt Schiras). Der Beginn des 1. Jahrtausends v. Chr. war ganz von der Vorherrschaft der Assyrer im Vorderen Orient geprägt. Im Jahre 612 v. Chr. erlagen diese den vereinten Kräften der wiedererstarkten Babylonier und der iranischen Meder. In diesem Jahr begann das iranische Zeitalter des Vorderen Orients, das anfänglich die Meder, bald aber die Perser bestimmten. Alexander von Makedonien zerstörte rund 300 Jahre später das persische Weltreich.
 
Nach dem Sieg über die Assyrer teilten sich die Babylonier und Meder die Macht über den Osten. Babylonien beherrschte den »Fruchtbaren Halbmond«, also den heutigen Irak und Teile des heutigen Syrien, die Meder machten Eroberungen in Kleinasien und hatten Teile des iranischen Hochlandes unter Kontrolle. Wie weit hier ihre Herrschaft nach Osten reichte, ist noch ungeklärt. Sie waren aber fraglos neben Ägyptern und Babyloniern die dritte Großmacht der damaligen Welt.
 
Wer war nun diese Großmacht der Meder? Sicher bestand sie nicht aus einem einzelnen Volksstamm. Eine Macht, die über so weite Gebiete herrschte, musste sich auf die Angehörigen vieler Völker stützen, die der herrschende Stamm der Meder unterworfen hatte oder die sich ihm angeschlossen hatten. Man geht davon aus, dass die Meder, als sie das Nomadentum aufgaben, von ihren Nachbarn und Feinden, namentlich den Babyloniern und Assyrern, vielleicht auch den Urartäern, Staatlichkeit gelernt haben.
 
Dem griechischen Historiker Herodot zufolge, der seine »Historien« vor 430 v. Chr. schrieb, lebten die Meder in Dörfern. Ein Mann namens Deiokes (727-675 v. Chr.) machte sich als Richter populär und brachte die Meder dazu, ihn zum König zu wählen. Nach seiner Wahl soll er sie gezwungen haben, sich in einer einzigen Stadt anzusiedeln, um die er fünf Mauerringe legen ließ; in ihrer Mitte befand sich sein Palast. Weiter berichtet Herodot, dass Deiokes ein perfektes Rechtssystem einführte, und »überall in seinem Land hatte er Lauscher und Späher«. Seinem Nachfolger Phraortes (674-653 v. Chr.) wird die Unterwerfung der Perser - und damit die Bildung eines starken iranischen Staates - zugeschrieben; und schließlich heißt es von seinem Sohn Kyaxares (624-585 v. Chr.), dem Bezwinger der Assyrer: »Er war der erste, der asiatische Heere in einzelne Abteilungen gliederte und sie getrennt aufstellte: Lanzenträger, Bogenschützen und Reiterei.« Herodot umreißt damit, präziser als jede andere Quelle, die Leistungen der Meder: Städtebildung, ein geordnetes Rechtssystem, einen Überwachungsapparat (die »Lauscher und Späher«) und eine durchorganisierte Militärmacht. Das alles war aber keine Erfindung von drei medischen Königen, sondern zivilisatorisches Wissen, das sie aus den altmesopotamischen Kulturen schöpften und in einem allmählichen Prozess ihren eigenen Zielen, ihrer Gesellschaftsstruktur und ihrem Herkommen gemäß übernahmen.
 
Wollen wir uns über das Volk der Meder ein Bild machen, sind wir im Wesentlichen auf Vermutungen angewiesen, auf oft zufällige Quellenaussagen, neben Herodot und anderen Griechen auf punktuelle Erwähnungen in keilschriftlichen babylonischen und assyrischen Texten; denn medische Quellen fehlen. Wir wissen nicht, ob die Meder schriftliche Zeugnisse hinterlassen haben; falls ja, so wissen wir nicht, in welchen Sprachen sie geschrieben sein könnten, wir wissen nichts über ihre Hauptstadt Ekbatana, von der Herodot berichtet, und wir wissen bisher kaum etwas über ihre Kunst.
 
Sicher ist jedoch, dass ohne diese Vorleistungen der Meder das persische Großreich der Achaimeniden nicht hätte entstehen können. In seiner berühmten dreisprachigen Inschrift in Elamisch, Akkadisch, Altpersisch bei Bisutun (in Westiran in der Nähe der heutigen Stadt Kermanschah) berichtet König Dareios I. (522-486 v. Chr.), er sei der neunte König aus der Familie der Achaimeniden, und zählt seine Vorgänger bis zum Stammvater der Dynastie, Achämenes, auf. Aber erst der sechste in dieser Linie, König Kyros II., der Große (558-530 v. Chr.), erlangte als Gründer des persischen Großreichs der Achaimeniden weltgeschichtliche Bedeutung; die Könige vor ihm herrschten als Vasallenkönige der Meder allein über die Persis oder Teile von ihr.
 
Um den Aufstieg Kyros II. haben sich schon früh Legenden gewoben. Herodot zufolge war er ein Enkel des letzten medischen Königs Astyages (584-549 v. Chr.). Das ist wohl falsch und möglicherweise auf das Bestreben der Achaimeniden zurückzuführen, eine Verwandtschaft zu den Medern zu bezeugen. Fest steht, dass Kyros 553 v. Chr. eine Rebellion gegen die Meder begann und 550 v. Chr. Astyages besiegte. Seine Residenz Pasargadai begann er wohl um diese Zeit zu bauen. Kurz danach nimmt er Elam und weite Teile Ostirans ein, 546 v. Chr. ist der größte Teil von Kleinasien in persischer Hand, weitere Eroberungen in Ostiran gehen dem Sieg über die Babylonier im Jahre 539 v. Chr. voran. Kurz danach werden Syrien und Palästina unterworfen. Bei einem Versuch, sein Herrschaftsgebiet weiter nach Osten auszudehnen, findet Kyros den Tod in der Gegend des heutigen Taschkent, der Hauptstadt Usbekistans.
 
Nach Kyros kam sein Sohn Kambyses an die Herrschaft (530-522 v. Chr.). Er eroberte 525 v. Chr. Ägypten und starb auf dem Rückweg aus Ägypten auf rätselhafte Weise in Syrien. Leben wie Tod dieses zweiten achaimenidischen Großkönigs umgeben Fragen. Wir wissen nicht, ob Kambyses einem Unfall zum Opfer fiel oder ermordet wurde. Auch ist umstritten, wie sein Nachfolger, König Dareios, der nicht aus der Familie des Kyros, sondern einer anderen Linie der Achaimenidenfamilie stammte, an die Macht gekommen ist.
 
Dareios war neben Kyros der bedeutendste persische Großkönig. Nach der Beseitigung seines Widersachers Gaumata aus dem medischen Geschlecht der Magier im Herbst des Jahres 522 v. Chr. rundete er sein Großreich durch Eroberungen in Zentralasien und Indien sowie im Westen ab, wo verschiedene Aufstände ionischer Städte in Kleinasien niedergeschlagen wurden; er musste aber vier Jahre vor seinem Tod eine Niederlage gegen die Griechen in der berühmten Schlacht von Marathon hinnehmen.
 
Was Kyros begonnen hatte, vollendete Dareios. Ein effektives Verwaltungssystem wurde aufgebaut - davon zeugen Tausende in Persepolis gefundene Tontafeln mit Verwaltungstexten. Er gliederte das Reich in Provinzen, Satrapien, die durch ein ausgebautes Post- und Nachrichtennetz verbunden waren und deren Verwalter staatlicher Überwachung und der Rechenschaftspflicht unterlage; überall im Reich wurde gebaut. Dareios ließ sogar in Ägypten einen Kanal anlegen, der als Vorgängerbau des Suezkanals gelten mag.
 
Nach solchen hohen politischen und militärischen Errungenschaften mussten die Leistungen der Nachfolger des Dareios verblassen. Xerxes I. (486-465 v. Chr.), Dareios' Sohn und Nachfolger, vollendete zwar noch Persepolis und hatte einige militärische Erfolge, z. B. die Einnahme von Athen 480 v. Chr., musste aber auch schwere Niederlagen hinnehmen; so wurde er kurz darauf in der Seeschlacht von Salamis (vor der Küste der griechischen Halbinsel Attika) durch die griechische Flotte besiegt. Erst im Vorfeld des Zuges Alexanders von Makedonien gegen die Perser, der seinen Höhepunkt in der Eroberung von Persepolis im Jahr 330 v. Chr. hatte, erhalten wir wieder reichere Informationen.
 
Prof. Dr. Heinz Gaube

Universal-Lexikon. 2012.

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